Die Gewaltenteilung
Das Prinzip der Gewaltenteilung ist in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verankert. Danach wird die Staatsgewalt vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung (Legislative), der vollziehenden Gewalt (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) ausgeübt. Unser Grundgesetz widmet diesen drei Staatsgewalten zudem jeweils eigene Abschnitte, so Abschnitt VII (Die Gesetzgebung des Bundes), Abschnitt VIII (Die Ausführung der Bundesgesetze und der Bundesverwaltung) sowie Abschnitt IX (Die Rechtsprechung).
Gewaltenteilung bedeutet, dass staatliche Gewalt nicht bei einer staatlichen Stelle allein liegt, sondern auf unterschiedliche Stellen verteilt ist. Die drei Gewalten Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung kontrollieren und begrenzen sich gegenseitig. Gewaltenteilung schützt die Grundrechte und dient damit dem Schutz der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger vor Machtmissbrauch. Außerdem bezweckt Gewaltenteilung, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig getroffen werden. Das heißt von den Stellen, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen (Funktionsgerechtigkeit).
Das Prinzip der Gewaltenteilung steht in einer langen Tradition demokratischer Entwicklung. Es wurde bereits Ende des 17. Jahrhunderts vom englischen Philosophen Locke und im 18. Jahrhundert durch den französischen Philosophen Montesquieu beschrieben. Die genannte Dreiteilung der Staatsgewalt findet sich sowohl in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika von 1787 („checks and balances“) als auch in der französischen Verfassung von 1791.
Gewaltenteilung ist in unserem Grundgesetz auf unterschiedliche Weise verwirklicht. Die Gesetzgebung des Bundes liegt in der Hand des Deutschen Bundestages als Parlament, der Legislative. Die Ausführung der Gesetze liegt bei der vollziehenden Gewalt, die auch als Verwaltung oder Exekutive bezeichnet wird. Über die Auslegung der Gesetze entscheidet die unabhängige Rechtsprechung. Die Gesetzgebung ist dabei an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes – Rechtsstaatsprinzip).
Parlamentarische Kontrolle durch den Bundestag als Kontrollinstanz
Ein Beispiel für die gegenseitige Kontrolle der Staatsgewalten ist die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung durch den Deutschen Bundestag. So wählt beispielsweise der Deutsche Bundestag den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin (Artikel 63 des Grundgesetzes) und kann ihn oder sie durch Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers abwählen (Artikel 67 des Grundgesetzes). Der Deutsche Bundestag hat zudem umfangreiche Informationsrechte gegenüber der Bundesregierung, die er beispielsweise durch Große und Kleine Anfragen ausübt.
Horizontale und vertikale Gewaltenteilung
Die zuvor beschriebene Aufteilung von Staatsgewalt auf Bundesebene wird auch als horizontale Gewaltenteilung bezeichnet, da sie sich auf derselben staatlichen Ebene (Bundesebene) vollzieht. Nach Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes findet der Gewaltenteilungsgrundsatz auch auf der Ebene der Bundesländer Anwendung. Die Aufteilung von staatlichen Befugnissen auf den Bund und die Bundesländer (Föderalismus) wird auch als vertikale Gewaltenteilung bezeichnet. Entgegen häufiger Vorstellungen ist dabei die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt (Artikel 30 des Grundgesetzes). Für Verwaltungsaufgaben gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sind daher im Regelfall die Länder und nicht Bundesbehörden zuständig. Auch die vertikale Gewaltenteilung sichert die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, indem staatliche Macht auf unterschiedliche staatliche Stellen aufgeteilt wird.
Die Gewaltenverschränkung
In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung umgesetzt. Die drei Zweige der Staatsgewalt sind vielmehr aufeinander bezogen, miteinander verschränkt und kontrollieren sich gegenseitig. Beispielsweise werden die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt (Artikel 94 des Grundgesetzes). Der Gesetzgeber kann die Bundesregierung, eine Bundesministerin oder einen Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigen, Rechtsverordnungen zu erlassen (Artikel 80 Absatz 1 des Grundgesetzes) und ihnen damit im Einzelfall legislative Funktionen übertragen. Die Bundesregierung kann Gesetzesvorlagen in den Deutschen Bundestag einbringen (Artikel 76 des Grundgesetzes) und ist damit in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eingebunden.