Das geltende Recht des Schwangerschaftsabbruchs wurde vom Deutschen Bundestag im Jahr 1995 beschlossen. Dem ging eine mehr als zwei Jahrzehnte dauernde intensive politische und gesellschaftliche Diskussion und zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts voraus. Bei dieser Neufassung der Regelungen setzte der Gesetzgeber insbesondere die Vorgaben aus dem zweiten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch vom 28. Mai 1993 (BVerfGE 88, 203) um.
Schwangerschaftsabbrüche sind grundsätzlich strafbar (§ 218a Absatz 1 Satz 1 StGB. Das geltende Recht trägt so der im Grundgesetz (GG) verankerten Pflicht Rechnung, das ungeborene Leben zu schützen (Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 2 GG). Diese verfassungsrechtliche Schutzpflicht ist mit den Grundrechten der Schwangeren in Ausgleich zu bringen. Die dazu notwendige Abwägung hat der Gesetzgeber mit § 218a StGB vorgenommen. Diese Regelung ermöglicht es, auch im Strafrecht der besonderen Situation Rechnung zu tragen, in der sich eine schwangere Person befindet.
§ 218 StGB sieht für den Schwangerschaftsabbruch als Strafe eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe für die Person vor, die diesen durchführt. Für die Schwangere ist die Strafe mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geringer. Für besonders schwere Fälle des Schwangerschaftsabbruchs sieht das Gesetz eine höhere Strafe vor. Dazu zählen zum Beispiel, wenn die Tat gegen den Willen der Schwangeren begangen wird oder die Täterin oder der Täter leichtfertig die Gefahr einer schweren Gesundheitsgefährdung oder des Todes der Schwangeren verursacht. Für diese Fälle ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren angedroht. Eine schwangere Person kann für den Versuch, ihre Schwangerschaft zu beenden, nicht bestraft werden. Für andere Beteiligte ist hingegen auch der Versuch des Schwangerschaftsabbruchs strafbar.
Wann ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar?
Unter bestimmten Voraussetzungen (§ 218a Absatz 1 StGB) gilt der Straftatbestand des Schwangerschaftsabbruchs als nicht verwirklicht und ist somit nicht strafbar. Das ist dann der Fall,
- wenn zum Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruchs seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind,
- die Schwangere den Abbruch verlangt und
- die Schwangere der Ärztin oder dem Arzt, die / der den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, eine Bescheinigung vorlegt (vgl. § 219 Absatz 2 Satz 2 StGB), die nachweist, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle hat beraten lassen. Diese Dreitagesfrist soll sicherstellen, dass die Schwangere keine überstürzte Entscheidung trifft (vgl. Bundestagsdrucksache 12/2605 (neu), S. 22).
Darüber hinaus ist ein mit Einwilligung der Schwangeren von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführter Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar,
- wenn er durchgeführt wird, um eine Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Gesundheitszustands der Schwangeren abzuwenden. Dies gilt auch über die zwölfte Schwangerschaftswoche hinaus (§ 218a Absatz 2 StGB, sog. medizinischsoziale Indikation), oder
- wenn die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt, also zum Beispiel einer Vergewaltigung, beruht, und die Empfängnis nicht länger als zwölf Wochen zurückliegt (§ 218a Absatz 3 StGB, sog. kriminologische Indikation).
In den zuvor genannten Fällen, also bei einer rechtfertigenden Indikation nach § 218a Absatz 2 und 3 StGB, ist keine Beratung (§ 219 StGB) nötig.
Ein Schwangerschaftsabbruch, der von einem Arzt durchgeführt wurde, ist für die Schwangere auch dann nicht strafbar, wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind und zuvor eine Beratung (§ 219 StGB) stattgefunden hat (§ 218a Absatz 4 Satz 1 StGB). Diese Vorschrift ist eine „Privilegierung“ im strafrechtlichen Sinne, die nur für die Schwangere selbst gilt. Auf den Arzt bzw. die Ärztin ist diese Vorschrift nicht anwendbar. Für ihn bzw. sie gilt Absatz 1 und damit die Zwölfwochenfrist.
Unabhängig von einer Frist steht einer Schwangeren außerdem die Privilegierung des § 218a Absatz 4 Satz 2 StGB offen. Hier-nach kann das Gericht bei „besonderer Bedrängnis“ der Schwangeren von Strafe absehen (Ermessensentscheidung). Dies ist u. a. bedeutsam für Fälle, in denen der Abbruch weder innerhalb der 12-Wochen-Frist nach einer Beratung vorgenommen wird (§ 218a Absatz 1 StGB) oder es rechtfertigende Gründe wie z. B. eine Lebensgefahr für die Schwangere, die durch einen Schwangerschaftsabbruch abgewendet werden kann (vgl. § 218a Absatz 2 oder 3 StGB), gibt.
Eine besondere Bedrängnis liegt allerdings nicht schon auf Grund der Schwangerschaft als solcher vor. Auch die Unannehmlichkeit, die mit dem Aufsuchen einer Beratungsstelle bzw. eines Arztes oder einer Ärztin verbunden ist, wird nicht als besondere Bedrängnis angesehen. Vielmehr muss die Bedrängnis zustande kommen aufgrund:
- einem der in § 218a Absatz 2 und 3 StGB umschriebenen Interessenkonflikt, die Schwangere muss also unter Zwang gestanden haben (z. B. bei Bedrohung durch den Erzeuger)
- einem in besonderem Maße erschwerten Zugang zu einer Beratung (etwa wegen längerem Auslandsaufenthalt oder gesteigerter Offenbarungsangst) bzw. zu einer Ärztin oder einem Arzt (mangelnde Gelegenheit).
Auch diese „Privilegierung“ im strafrechtlichen Sinne gilt nur für die Schwangere.
Was gilt für die Beratung als Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch?
Die Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage, deren Bescheinigung die Voraussetzung für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Absatz 1 StGB ist, ist in § 219 StGB und ergänzend in den §§ 5 ff. des Schwangerschaftskonfliktgesetzes geregelt. Sie muss durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle erfolgen, wobei der Arzt bzw. die Ärztin, der bzw. die den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, als Berater ausgeschlossen ist. Die Beratung der Schwangeren dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie soll davon geleitet sein, die Schwangere zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen. Zugleich soll die Beratung jedoch ergebnisoffen geführt werden. Die Schwangere soll in der Beratung nicht belehrt oder bevormundet werden. Die Beratung soll der Schwangeren helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen, in die sie alle wesentlichen Gesichtspunkte einbeziehen konnte.
Die Beratung kann vor Ort in den Räumen der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, aber etwa auch per Telefon oder Videochat stattfinden. Zudem ist die Beratung kostenlos und die Schwangere kann auf Wunsch gegenüber der Beratungs-Person anonym bleiben.
Ziele der Bundesregierung für die reproduktive Selbstbestimmung
Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gemacht, die reproduktive Selbstbestimmung noch mehr zu stärken. Im Koalitionsvertrag wurde daher vereinbart, eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einzusetzen, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird.
Benötigen Sie weitere Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen?
Wenden Sie sich am besten persönlich an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder an eine Beratungsstelle. Möchten Sie sich erst einmal von zu Hause aus informieren, können Internetseiten von Ärztinnen und Ärzten, von Beratungsstellen oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung weiterhelfen. Viele Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, haben sich zudem in die Liste der Bundesärztekammer eintragen lassen.
Mit einer ungewollten Schwangerschaft werden Sie nicht allein gelassen. Nutzen Sie die bestehenden Beratungsangebote. Im Notfall oder wenn Sie nicht mehr weiterwissen, können Sie sich auch an die Bundesstiftung Mutter und Kind oder an das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (0800 0116 016) wenden. Informationen zum Thema Schwangerschaft finden Sie auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend