Besonders schutzbedürftige Verletzte haben einen Anspruch auf professionelle Begleitung und Betreuung während des gesamten Strafverfahrens, die sogenannte psychosoziale Prozessbegleitung.
Was bedeutet psychosoziale Prozessbegleitung?
Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besonders intensive Form der Begleitung vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst die qualifizierte Betreuung, Informationsvermittlung und Unterstützung im Strafverfahren. Damit soll vor allem die individuelle Belastung der Opfer reduziert werden. Prozessbegleitung ersetzt also nicht die Anwältin oder den Anwalt. Rechtsberatung ist und bleibt die Aufgabe allein der Anwältinnen oder Anwälte. Prozessbegleitung ist eine nicht-rechtliche Begleitung und damit ein zusätzliches Angebot für besonders schutzbedürftige Opfer.
Psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter haben das Recht, bei Vernehmungen des Opfers dabei zu sein.
Wer ist anspruchsberechtigt?
Insbesondere Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten geworden sind, haben einen Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung. Allerdings muss ein Antrag bei Gericht gestellt werden, das bei Vorliegen der Voraussetzungen die Prozessbegleitung beiordnet.
Auch erwachsene Opfer können bei Gewalt- oder Sexualverbrechen einen Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung haben ebenso wie Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner, die ihren Angehörigen durch eine Straftat verloren haben.
Über den Antrag von erwachsenen Opfern von Gewalt- oder Sexualverbrechen sowie den Antrag von nahen Angehörigen eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten entscheidet das Gericht nach Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens.
Besteht der Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung zusätzlich zum Anspruch auf anwaltliche Beratung und Vertretung?
Ja. Wenn Sie Anspruch auf kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung haben, haben Sie auch Anspruch auf einen kostenfreien Opferanwalt. Die psychosoziale Prozessbegleitung ist eine zusätzliche Unterstützung und kann die anwaltliche Beratung auch nicht ersetzen. Um-gekehrt umfasst die psychosoziale Prozessbegleitung andere Hilfen für die Betroffenen, die regelmäßig nicht durch den Anwalt oder die Anwältin vermittelt werden.
Muss man die psychosoziale Prozessbegleitung bezahlen?
Im Falle einer Beiordnung durch das Gericht ist die Prozessbegleitung für das Opfer kostenfrei. In den Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Beiordnung nicht vorliegen, kann sich jeder Verletzte auch auf eigene Kosten eine psychosoziale Prozessbegleitung nehmen.
Wer darf psychosoziale Prozessbegleitung vornehmen?
Wichtig ist eine professionelle Begleitung. Daher werden hohe Anforderungen an die Kompetenzen der begleitenden Person gestellt. Im Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) sind die Mindestanforderungen an die Qualifikation geregelt. Die Prozessbegleiterin bzw. der Prozessbegleiter muss fachlich, persönlich und interdisziplinär qualifiziert sein.
Wie finde ich psychosoziale Prozessbegleiterinnen bzw. Prozessbegleiter?
Die Länder sind für die Ausführung der psychosozialen Prozessbegleitung zuständig und damit auch für die Frage, welche Personen als Prozessbegleiterinnen oder Prozessbegleiter anerkannt werden. Weitere Informationen dazu finden Sie auf den jeweiligen Seiten der Länder.
Sie können aber auch bei jeder Polizeidienststelle oder einer der zahlreichen Opferhilfeeinrichtung nachfragen.
Nach welchen Standards arbeiten psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegeleiter?
Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter sind zur Neutralität gegenüber dem Strafverfahren verpflichtet. Aufgabe der Prozessbegleitung ist nicht die Aufklärung des Tatgeschehens. Das bedeutet, dass die Prozessbegleitung mit dem Opfer auch nicht über das Tatgeschehen selbst spricht oder das Tatgeschehen aufarbeitet. Darüber wird das Opfer auch zu Beginn der Prozessbegleitung aufgeklärt. Die Prozessbegleiterin oder der Prozessbegleiter kann auch jederzeit als Zeugin bzw. Zeuge im Strafprozess vernommen werden. Ein Zeugnisverweigerungsrecht steht den Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleitern nicht zu.
Die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für die psychosoziale Prozessbegleitung sind in § 406g der Strafprozessordnung und im Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) geregelt.
Sie oder Ihr Kind ist Opfer einer Gewalt- oder Sexualstraftat geworden oder Sie haben einen nahen Angehörigen durch ein Tötungsdelikt verloren? Dann haben Sie neben der Verarbeitung dieses Erlebnisses nun möglicherweise auch einen Strafprozess durchzustehen. Die psychosoziale Prozessbegleitung ist dafür da, Ihnen zu helfen.
PDF, 143KB, Datei ist nicht barrierefrei, 25. Januar 2017
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