Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, das Sanktionenrecht zeitgemäßer auszugestalten. Künftig sollen daher die Ersatzfreiheitsstrafe halbiert, die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zielgenauer gefasst sowie geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Tatmotive besonders berücksichtigt werden.
1. Reform der Ersatzfreiheitsstrafe
Die Ersatzfreiheitsstrafe kommt zum Einsatz, wenn ein Straftäter oder eine Straftäterin zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, diese aber nicht zahlen kann oder will. Der Täter muss dann für eine bestimmte Zeit ins Gefängnis, wodurch er die Geldstrafe „tilgt“. Die Ersatzfreiheitstrafe ist ein wirksames Mittel, um die Geldstrafe durchzusetzen. Denn die Praxis zeigt: Oft bewegt erst die Ladung zum Haftantritt die Täterin oder den Täter dazu, die Geldstrafe zu bezahlen. Und häufig wird auch noch nach Beginn der Haft gezahlt, um schnell wieder in Freiheit zu kommen.
Auch Schweden, wo die Ersatzfreiheitsstrafe viele Jahre nahezu keine Rolle mehr spielte, hat sein Recht inzwischen wieder verschärft. Denn über 40 Prozent aller dort 2015 rechtskräftig verhängten Geldstrafen konnten innerhalb von fünf Jahren nicht vollstreckt werden und waren daher verjährt. In fast der Hälfte aller Fälle blieb also eine rechtskräftig festgestellte Straftat im Ergebnis sanktionslos.
Die Ersatzfreiheitsstrafe ist das Rückgrat der Geldstrafe und als Instrument an sich unverzichtbar. Aber sie wird bisher in einer Weise bemessen, die unverhältnismäßig ist. Bisher entspricht ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. 24 Stunden Gefängnis wiegen aber schwerer als der Verlust des Gegenwerts von sechs bis acht Stunden Erwerbsarbeit. Künftig soll deshalb ein Tagessatz Geldstrafe einem halben Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen. Diese Änderung des Umrechnungssatzes sollen von weiteren Rechtsänderungen begleitet werden. So sollen Betroffene künftig etwa auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass sie ihre Strafe durch gemeinnützige Arbeit abarbeiten oder sie in Raten zahlen können. Und bevor jemand eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten muss, sollen soziale Träger oder die Gerichtshilfe mit ihnen über diese Alternativen sprechen. Im Ergebnis soll all das den Betroffenen auch helfen, Haft zu vermeiden und die Schuld anders zu tilgen.
Dieser Schritt ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung wichtig.
Zudem soll diese Reform die Länder erheblich entlasten. Denn die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen kostete die Landeshaushalte 2019 nämlich bundesweit durchschnittlich etwa 545.000 Euro pro Tag, bezogen auf das Jahr also knapp 200 Millionen Euro. Daher wird mit Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich für die Länder gerechnet.
2. Reform des Maßregelvollzugs
Wenn ein Täter eine Straftat begeht, die auf eine Drogen- oder Alkoholsucht zurückzuführen ist, und wenn von ihm oder ihr weitere erhebliche Straftaten zu befürchten sind, dann kommt die Person bei Heilungsaussicht nicht einfach ins Gefängnis. Stattdessen wird sie in einer Entziehungsanstalt untergebracht – im Maßregelvollzug.
In den letzten Jahren hat die Zahl der Menschen drastisch zugenommen, die nach einer strafgerichtlichen Verurteilung in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind. Viele Kliniken sind überlastet. Das liegt nicht zwingend an der gestiegenen Zahl der Suchterkrankten. Ein großes Problem ist vielmehr ein Fehlanreiz: Für Täterinnen und Täter ist der Maßregelvollzug in der Regel günstiger als das Gefängnis, weil sie dort früher entlassen werden können. Dieser Fehlanreiz soll durch die Reform des Maßregelvollzugs, die auf Grundlage der Arbeiten der vom Bundesjustizministerium einberufenen Bund-Länder-Arbeitsgruppe beruht, beseitigt werden. Zudem sollen die Voraussetzungen für den Maßregelvollzug zielgenauer gefasst werden. Durch die Reform soll dafür gesorgt werden, dass sich die Behandlung wieder auf die wirklich behandlungsbedürftigen und behandlungsfähigen Personen konzentrieren kann. Denn nur so lassen sich gute Behandlungserfolge erreichen – im Interesse der betroffenen Personen selbst, aber auch im Interesse unseres Allgemeinwesens
3. Erweiterung der Strafzumessungsnorm § 46 StGB
Immer wieder begegnet Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierungen oder ihres Geschlechts Hass, der teils in gewalttätige Angriffe mündet. Das ist für eine freie und offene Gesellschaft und für den liberalen Rechtsstaat nicht hinnehmbar.
§ 46 Absatz 2 des Strafgesetzbuches (StGB) nennt menschenverachtende Beweggründe, die bei einer Strafzumessung besonders zu berücksichtigen sind. Diese Liste soll künftig um „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive erweitert werden. Ziel dieser Erweiterung ist es, Frauen noch besser vor Gewalt von Männern sowie homo- und bisexuelle Personen und Personen mit einer trans- oder intergeschlechtlichen oder einer nicht-binären Geschlechtsidentität noch besser vor hasserfüllten Übergriffen zu schützen. Durch die Erweiterung von § 46 Absatz 2 StGB wird den Gerichten mehr Spielraum eröffnet, um noch entschiedener gegen das erschreckende Ausmaß geschlechtsspezifischer und gegen LSBTI-Personen gerichtete Straftaten vorzugehen. Denn in unserem Land sollen sich alle Menschen überall und zu jeder Zeit sicherfühlen – und zwar unabhängig davon, wer sie sind und wie sie leben.
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