Seit Oktober 2016 stellt das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) an die Qualifikation von Sachverständigen in Kindschaftssachen bestimmte Anforderungen, um eine dem jeweiligen Einzelfall entsprechende fachlich qualifizierte Begutachtung sicherzustellen. So sieht § 163 Absatz 1 FamFG vor, dass in Verfahren über die elterliche Sorge, das Umgangsrecht, das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes oder die Kindesherausgabe das Gutachten durch einen geeigneten Sachverständigen zu erstatten ist, der mindestens über eine psychologische, psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen soll. Verfügt der Sachverständige über eine pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation, ist zudem der Erwerb ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation nachzuweisen.
Neben gesetzlichen Anforderungen an die Qualifikation der Sachverständigen bedarf es aber auch Standards für die inhaltliche Ausgestaltung von Sachverständigengutachten in Kindschaftssachen, um eine hohe Qualität dieser Gutachten sicherzustellen. Bereits im Jahr 2015 haben daher Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Fachverbände unter fachlicher Begleitung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht entwickelt. Die Mindestanforderungen dienen als Handlungsgrundlage für Gerichte wie auch Gutachter, indem sie einerseits Richtschnur einer wissenschaftlich fundierten Begutachtung und anderseits zuverlässige Entscheidungsgrundlage für das Familiengericht sind.
Im September 2019 sind die „Mindestanforderungen an Gutachten in Kindschaftssachen“ in zweiter Auflage veröffentlicht worden.
Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht
Des Weiteren wurden spezielle Mindestanforderungen für Verfahren erarbeitet, welche die Unterbringung von Minderjährigen durch die Eltern gemäß § 1631b Bürgerliches Gesetzbuch oder nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker betreffen. Diese wurden im März 2021 veröffentlicht.
Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten nach § 1631b BGB (und zur freiheitsentziehenden Unterbringung von Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker)
Der Verbesserung der Qualität familiengerichtlicher Gutachten dient auch das vom Bundesministerium der Justiz geförderte Pilotprojekt „Professionelle Selbstkontrolle (Online Peer-Review-Verfahren)“ des Kompetenzzentrums für Gutachten – Recht, Psychologie, Medizin –. Das Peer-Review-Verfahren ist ein bewährtes Verfahren zur Qualitätsprüfung eines wissenschaftlichen Beitrages durch unabhängige Wissenschaftler desselben Fachgebiets (sog. Peers). Dieses Verfahren wurde auf die familiengerichtliche Begutachtung übertragen, um mit Hilfe einer anonymen Bewertung eines oder einer anderen erfahrenen Sachverständigen festzustellen, ob Fehler erkennbar sind und wie diese gegebenenfalls zukünftig vermieden werden können. Die Projektergebnisse zeigen, dass das Peer-Review-Verfahren ein gutes Instrument ist, um die Qualität von Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren zu verbessern.
Qualitätssteigerung bei familiengerichtlichen Gutachten: Abschlussbericht des Pilotprojekts „Professionelle Selbstkontrolle“