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Die Musterfeststellungsklage

Um das Kräfteverhältnis zwischen den Verbraucherinnen und Verbrauchern einerseits und den Unternehmen andererseits wieder in Balance zu bringen, hat der Gesetzgeber 2018 die Musterfeststellungsklage eingeführt. Mit der Musterfeststellungsklage können Unternehmen, die sich unrechtmäßig verhalten, einfacher und effektiver zur Verantwortung gezogen und die Ansprüche der Verbraucher leichter durchgesetzt werden. Erste und umfangreichste Musterfeststellungsklage war bislang die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands gegen VW. Die Musterfeststellungsklage kommt seit seinem Inkrafttreten mittlerweile aber in vielen unterschiedlichen Rechtsbereichen zum Tragen, um Verbraucherinnen und Verbrauchern zu ihrem Recht zu verhelfen.

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Quelle: AdobeStock / engel_ac

Nicht nur beim sogenannten Abgas-Skandal ist es vorgekommen, dass unrechtmäßige Verhaltensweisen von Unternehmen viele Verbraucher schädigen. Auch überhöhte Kontogebühren oder unzulässige Preisklauseln betreffen oft eine Vielzahl von Verbrauchern. Wenn sich der einzelne Verbraucher dagegen wehren will, braucht er meistens einen langen Atem und viel Geld, weil sich das Unternehmen mit der Hilfe seiner Rechtsabteilung und Rechtsanwälten gut zu verteidigen weiß. Manchmal ist der finanzielle Schaden des einzelnen Verbrauchers auch so gering, dass sich der Aufwand und die Kosten einer Klage gegen das Unternehmen aus Sicht des betroffenen Verbrauchers oder der betroffenen Verbraucherin nicht lohnen.

Der Gesetzgeber hat dieses Ungleichgewicht zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern einerseits und den Unternehmen andererseits durch diese Klageart ausbalanciert. Mit der Musterfeststellungsklage können Unternehmen, die sich unrechtmäßig verhalten, einfacher und effektiver zur Verantwortung gezogen und die Ansprüche der Verbraucher leichter durchgesetzt werden. Die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen für die Musterfeststellungsklage keinen eigenen Anwalt und können sich kostenlos zum Klageregister anmelden.

Qualifizierte Verbraucherverbände klagen

Die Musterfeststellungsklage kann nur von Verbraucherschutzverbänden erhoben werden, die besonders strenge Kriterien erfüllen müssen (sogenannte „qualifizierte Einrichtungen“). Das Klageverfahren wird nur zwischen dem Verbraucherverband und dem beklagten Unternehmen geführt. In dem Verfahren können alle Sach- und Rechtsfragen geprüft und geklärt werden, die für die Ansprüche der betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern von Bedeutung sind.

Die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dann nicht selbst klagen, sondern können ihre Ansprüche im Klageregister anmelden, um von der Klage zu profitieren. Das Klageregister für Musterfeststellungsklagen wird beim Bundesamt für Justiz geführt.

Bitte senden Sie Ihre Anmeldung zum Klageregister ausschließlich an das Bundesamt für Justiz.

Verbindliche Grundlage für darauffolgende Klagen

Der Verbraucherverband und das Unternehmen können einen (Prozess-)Vergleich zugunsten der angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher schließen und das Verfahren dadurch beenden. Anderenfalls entscheidet das Gericht (= stellt fest), ob sich das beklagte Unternehmen z. B. rechtswidrig verhalten hat. Ein solches Urteil nennt man Feststellungsurteil.

Das Feststellungsurteil bildet dann die verbindliche Grundlage (=Muster) für die Durchsetzung der Zahlungsansprüche der angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher. Beispielsweise kann ein angemeldeter Verbraucher oder eine angemeldete Verbraucherin das Unternehmen dann auf Zahlung von Schadensersatz verklagen, falls das Unternehmen nicht freiwillig zahlt. Die Verbraucherin oder der Verbraucher muss nun nicht erst noch nachweisen, dass das Unternehmen rechtswidrig gehandelt hat. Dieser Nachweis wäre durch das Feststellungsurteil bereits erbracht. Alternativ können sich Verbraucherinnen und Verbraucher auch an die Universalschlichtungsstelle als eine zentrale Anlaufstelle wenden. Mit Hilfe der Schlichtungsstelle können sie ihre in dem Musterfeststellungsurteil festgestellten Rechte verfolgen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich das Unternehmen auf die Schlichtung einlässt.

FAQ

Wer kann klagen?

Wenn Sie sich von einem Unternehmen durch dessen Verhalten geschädigt fühlen, sollten Sie sich an einen Verbraucherschutzverband wenden. Wenn insgesamt mindestens 50 Verbraucherinnen und Verbraucher von demselben Fall betroffen sind, können besonders qualifizierte Verbraucherschutzverbände den Fall als Musterfeststellungsklage gegen das sich unrechtmäßig verhaltende Unternehmen durchfechten.

Musterfeststellungsklagen werden auf Veranlassung des Gerichts in einem Klageregister für Musterfeststellungsklagen beim Bundesamt für Justiz öffentlich bekannt gemacht.

Wie läuft die Musterfeststellungsklage ab?

Als betroffene Verbraucherin oder betroffener Verbraucher haben Sie nach der öffentlichen Bekanntmachung nun die Möglichkeit, Ihre Ansprüche gegen das beklagte Unternehmen im Klageregister für Musterfeststellungsklagen anzumelden. Dazu benötigen Sie keinen Anwalt. Sie tragen sich einfach kostenfrei im Klageregister des Bundesamtes für Justiz ein. Diese wirksame Anmeldung im Klageregister hat zwei Rechtsfolgen:

  • Zum einen wird die Verjährung Ihrer Ansprüche ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung gehemmt;
  • zum anderen entfaltet das Urteil, das in dem Klageverfahren später ergeht, Bindungswirkung zwischen Ihnen und dem beklagten Unternehmen. Das bedeutet, dass all das, was das Gericht in dem Verfahren feststellt (z. B. Tatsachen oder rechtliche Wertungen) später zwischen Ihnen und dem beklagten Unternehmen nicht nochmals festgestellt werden muss.

Das Bundesamt für Justiz bietet ein Online-Anmeldeformular für jede bekanntgemachte Musterfeststellungsklage an. Bei der Anmeldung über dieses Formular müssen Sie einige Pflichtangaben machen wie

  • Ihren Namen und
  • Ihre Anschrift

Außerdem müssen Sie Ihren Fall so schildern, dass deutlich wird, wie Ihr eigener (Schadens-)Fall zu der Musterfeststellungsklage passt, also inwiefern die Fragen, die dort behandelt und geklärt werden, auch in Ihrem Fall für Ihre Ansprüche eine Rolle spielen. Schließlich müssen Sie die Richtigkeit und Vollständigkeit Ihrer Angaben versichern.

Haben sich innerhalb von zwei Monaten ab öffentlicher Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage mindestens 50 betroffene Verbraucher wirksam in das Klageregister eingetragen, ist die Klage zulässig und das Gerichtsverfahren wird durchgeführt. Das Gericht wird sich also die Argumente des Klägers (besonders qualifizierter Verbraucherschutzverband) und des beklagten Unternehmens anhören, ggfs. eine Beweisaufnahme durchführen (also beispielsweise Zeugen laden oder ein Sachverständigengutachten einholen) und dann eine Entscheidung fällen. Bis zum Tag vor dem ersten Verhandlungstermin können sich noch weitere Verbraucher in das Register eintragen und sich so der Klage anschließen. Angemeldete Verbraucher können ihre Anmeldung bis zum Ablauf des ersten Tages der mündlichen Verhandlung auch wieder zurücknehmen. Das Gerichtsverfahren endet entweder mit einem Feststellungsurteil oder einem Prozessvergleich (d.h. einer gütlichen Einigung zwischen dem Verbraucherschutzverband und dem Unternehmen zugunsten der Verbraucher).

Achtung: Es werden „nur“ Sach- und Rechtsfragen geklärt, die für alle betroffenen Fälle von Bedeutung sind also z. B. ob sich das beklagte Unternehmen rechtswidrig verhalten hat oder nicht. Eine Leistungspflicht (bspw. Zahlung von Schadensersatz) in Ihrem konkreten Fall wird durch das Musterfeststellungsurteil noch nicht ausgesprochen, weil das Gericht die angemeldeten Ansprüche nicht einzeln prüft.

Das Gerichtsverfahren kann auch mit einem Prozessvergleich enden. Der Vergleich wird den angemeldeten Verbraucherinnen und Verbrauchern zugestellt und diese können entscheiden, ob sie ihn gelten lassen oder ablehnen wollen. Wenn mindestens 70 Prozent der im Klageregister eingetragenen Verbraucherinnen und Verbraucher den Vergleich gelten lassen, ist der Rechtsstreit für diese Verbraucher endgültig abgeschlossen. Die anderen können anschließend selbst gegen das beklagte Unternehmen vorgehen.
Wenn der Vergleich wegen der Ablehnung der angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher (mehr als 30 Prozent) scheitert, führt das Gericht das Verfahren fort und erlässt am Ende ein Urteil.

Welche Vorteile bietet die Musterfeststellungsklage für betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher?

Wenn Sie von einer Musterfeststellungsklage betroffen sind, brauchen Sie selbst zunächst nicht klagen, um Ihre Rechte zu wahren, sondern müssen Ihre Ansprüche lediglich zum Klageregister anmelden. Da die Anmeldung zum Klageregister einfach und kostenfrei möglich ist, ohne dass Sie dafür einen Rechtsanwalt beauftragen müssen, sparen Sie sich dadurch Prozesskosten und erheblichen Aufwand. Zugleich sind mit der Anmeldung zum Klageregister der Musterfeststellungsklage zwei wesentliche Rechtsfolgen verbunden: (1) Die Verjährung Ihrer Ansprüche wird ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung gehemmt, d.h. Sie können den Ausgang der Musterfeststellungsklage abwarten, ohne Ihre Rechte zu verlieren. (2) Das Musterfeststellungsurteil wird durch die Anmeldung zum Klageregister für Sie und das beklagte Unternehmen verbindlich, d.h. alle Fragen und Umstände, die in dem Musterfeststellungsurteil bereits durch das Gericht geklärt wurden, brauchen Sie später nicht nochmals aufzuklären oder nachzuweisen.

Wie geht es nach Abschluss des Gerichtsverfahrens weiter?

Auf der Grundlage des Musterfeststellungsurteils können Sie anschließend Ihre individuellen Ansprüche durchsetzen. Dazu stehen Ihnen alle Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung zur Verfügung. Beispielsweise können Sie eine Schlichtungsstelle anrufen oder einen Verbraucherschutzverband mit der Einziehung Ihres Anspruchs beauftragen; Sie können das Unternehmen aber auch direkt auf Leistung verklagen. All die Sach- und Rechtsfragen, die in dem Musterfeststellungsurteil bereits durch das Gericht geklärt wurden, brauchen Sie dann aber nicht mehr zu „beweisen“, da insoweit die Bindungswirkung gilt.

Die im Klageregister angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher können nach Abschluss des Verfahrens vom Bundesamt für Justiz einen schriftlichen Auszug über die Angaben erhalten, die bei ihrer Anmeldung im Klageregister erfasst wurden. Durch diesen Auszug können sie in einem Folgeprozess ihre wirksame Anmeldung zur Musterfeststellungsklage darlegen und beweisen. Das Formular zur Beantragung einer solchen Auskunft befindet sich auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz.

Achtung: Auch eine „verlorene“ Musterfeststellungsklage ist für Sie verbindlich, so als hätten Sie selbst gegen das Unternehmen geklagt und verloren. Das heißt, dass Sie dieselben Vorwürfe gegen das Unternehmen nicht noch einmal gerichtlich klären lassen können.

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