"Die Verantwortungsgemeinschaft ist ein innovatives Projekt, das Antworten auf eine veränderte Gesellschaft gibt"
Schwerpunktthema: Interview
Interview des Bundesjustizministers Dr. Marco Buschmann mit dem Donaukurier zur Verantwortungsgemeinschaft, zum Selbstbestimmungsgesetz und zur Vorratsdatenspeicherung
Meldung
Das Interview wurde vor der Veröffentlichung auf dieser Seite redaktionell gekürzt.
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Bald soll der Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz kommen. Können Sie die teils heftige Diskussion darum nachvollziehen?
Die geschlechtliche Identität ist Teil der eigenen Persönlichkeit und vom Grundgesetz geschützt. Bei wenigen Menschen stimmt sie nicht dem Geschlechtseintrag im Pass überein. Um diese Menschen geht es uns. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt: Das bestehende Transsexuellengesetz verletzt die betroffenen Menschen in ihren Rechten. Das Selbstbestimmungsgesetz soll diesen unwürdigen Zustand beenden. Menschen sollen in Übereinstimmung mit ihrer geschlechtlichen Identität leben können. Natürlich stellen wir sicher, dass das Gesetz nicht von Personen missbraucht wird, für die es gar nicht gedacht ist: von Menschen, denen es gar nicht um die Achtung ihrer geschlechtlichen Identität geht, sondern die sich zum Beispiel einer Fahndung entziehen wollen. Solche Vorkehrungen sind notwendig, damit das Gesetz die Chance auf breite Akzeptanz hat. Ich halte die Sorgen vor dem Gesetz für unbegründet. Aber es ist wichtig, ihnen sachlich zu begegnen.
Bürgern stößt oft der Geburtseintrag im Ausweis auf, der bei vielen der Ort des Kreiskrankenhauses ist, aber nicht der Heimatort. Wenn Name und Geschlecht geändert werden können, warum nicht der Geburtsort im Pass?
Der Eintrag des Geburtsorts im Ausweis dient der zweifelsfreien Identitätsfeststellung. Ich kann es zwar verstehen, wenn Bürgerinnen und Bürger gerne ihren Heimatort im Ausweis stehen hätten. Allerdings ist es ja nicht mit der Änderung der Eintragung auf dem Personalausweis getan, sondern der Geburtsort müsste dann auch in diversen Registern geändert werden. Dafür bräuchte es schon gewichtige Gründe. Die sehe ich beim Geburtsort – anders als beim Geschlecht – nicht.
Wie stehen Sie zum Gendern?
Was die Gesetzessprache anbelangt, so ist meine Haltung klar. Das Handbuch der Rechtsförmlichkeit, eine Art Leitfaden für die Erstellung von Gesetzen, geht für Gesetzestexte vom generischen Maskulinum aus. Das soll auch so bleiben. Denn in der Gesetzessprache sind Klarheit und Verständlichkeit besonders wichtig. Ich finde es wichtig, dass man sich persönlich um eine Sprache bemüht, die nicht verletzend oder diskriminierend ist. Gendern führt oftmals zu einer komplizierten Sprache, die schwerer verständlich ist. Aber im gesellschaftlichen Raum soll das jeder so betreiben, wie er oder sie es für richtig hält. Auch wenn manch ein Politiker aus Bayern anderes behauptet: Es gibt keinen Gender-Zwang – und er wird nie kommen.
Sie planen, eine Verantwortungsgemeinschaft einzuführen. Wann sollen die Eckpunkte kommen?
Die Verantwortungsgemeinschaft soll Menschen rechtliche Sicherheit geben, die dauerhaft im Alltag Verantwortung füreinander übernehmen, aber keine Liebesbeziehung haben. Sie ist ein innovatives Projekt, das Antworten auf eine veränderte Gesellschaft gibt. Übernahme von Verantwortung gibt es heute auch jenseits von Familie und romantischen Partnerschaften. Denken Sie an ältere Menschen, die ihre Lebenspartner verloren haben – und sich nun mit Freunden in der gleichen Lebenssituation zusammentun. Oder an junge Menschen, die in Wohnprojekten zusammenleben. Wir wollen Menschen die Möglichkeit geben, diese Beziehungen auf eine planbare und verlässliche Grundlage zu stellen. Bald nach der Sommerpause werden wir dazu ein Eckpunktepapier vorlegen, sodass wir im nächsten Jahr den Gesetzentwurf ins Parlament bringen können.
Ältere Nachbarn könnten so eine Gemeinschaft eingehen. Wie aber schützen Sie vor womöglich drohendem Missbrauch?
Solche Alten-WGs gibt es ja heute schon. Doch was passiert, wenn einer von ihnen ins Krankenhaus muss und der andere Auskunft über den Zustand haben möchte? Oder was für Rechte haben die Beteiligten in Bezug auf eine gemeinsame Mietwohnung? Solche Fragen sind bislang auf die klassischen Familienbeziehungen zugeschnitten. Das Recht behandelt Menschen in diesen Konstellationen bislang wie Fremde. Das muss sich ändern, wenn die Beteiligten sich das wünschen. Wir drängen das niemandem auf. Alles bleibt freiwillig. Und da die Verantwortungsgemeinschaft keine steuerlichen Anreize gewährt, wird es auch keinen Missbrauch geben. Wir wollen das Recht auf die Höhe der Zeit bringen, damit es den Menschen den Alltag leichter macht.
Streit gibt es um die Vorratsdatenspeicherung, etwa zur Verfolgung Pädophiler im Internet. Sie wollen ein Verfahren, bei dem Daten erst bei Anfangsverdacht für eine kurze Zeit gespeichert werden. Innenministerium und Polizeibehörden geht das nicht weit genug. Ist Datenschutz wichtiger als der Schutz von Kindern?
Die Vorratsdatenspeicherung wird oft fälschlicherweise als eine Art Wunderwaffe dargestellt. Hohe Aufklärungsquoten, die wir alle ja wollen, sind auch ohne sie möglich. Ein Problem der Vorratsdatenspeicherung ist ja: Sie wurde immer wieder von Gerichten gestoppt, weil sie gegen Grundrechte verstößt. Das ewige Herumprobieren ging zu Lasten der Strafverfolgung, weil die Behörden die Vorratsdatenspeicherung gar nicht anwenden durften. Mir ist wichtig, dass wir endlich die Ermittlungsmöglichkeiten verbessern – in rechtssicherer Weise, im Rahmen des Grundgesetzes und des europäischen Rechts. Mein Gesetzentwurf für unser alternatives Modell Quick Freeze liegt vor. Doch obwohl wir damit die rechtliche Situation der Ermittlerinnen und Ermittler augenblicklich verbessern könnten, wird er vom Bundesinnenministerium blockiert – das ist schon einigermaßen kurios. Mir wäre es lieber, wir würden heute als morgen endlich eine Lösung finden, die unsere Grundrechte wahrt und die Ermittlungsbehörden stärkt.
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