Neuerungen bei Ersatzfreiheitsstrafe, im Maßregelrecht, bei der Strafzumessung und bei ambulanten Maßnahmen beschlossen
Schwerpunktthema: Strafrecht
Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts geht reformbedürftige Projekte im Strafgesetzbuch an
Pressemitteilung Nr. 67/2022
Das Bundeskabinett hat am 21.12.2022 den von dem Bundesminister der Justiz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beschlossen.
Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht folgende Änderungen vor:
I. Ersatzfreiheitsstrafen
Der Umrechnungsmaßstab von einer Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitstrafe in § 43 StGB wird so geändert, dass zukünftig zwei Tagessätze Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen. Bislang entspricht ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Diese Änderung verfolgt das Ziel, die Dauer der tatsächlich vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafen zu halbieren, da deren Vollzug in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisierung der Betroffenen leisten kann. Zugleich kann so die mit der Vollstreckung verbundene Strafbelastung stärker an die der ursprünglich verhängten Geldstrafe ausgerichtet werden, weil ein Tag Freiheitsstrafe deutlich schwerer wiegt als die Einbuße eines Tageseinkommens. Die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe kann und soll es der verurteilten Person auch erleichtern, deren Vollstreckung durch gemeinnützige Arbeit ganz zu vermeiden. Denn durch die Halbierung halbiert sich grundsätzlich auch die Zahl der Stunden, in denen gemeinnützige Arbeit geleistet werden muss. Zusätzlich sollen vollstreckungsrechtliche Ergänzungen dazu beitragen, dass die verurteilte Person stärker unmittelbar vor Ort bei der Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe unterstützt wird, etwa, in dem Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiten beim Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung oder der Vermittlung gemeinnütziger Arbeit helfen.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„Wir legen eine historische Reform der Ersatzfreiheitsstrafe vor. Sie ändert den Umrechnungsmaßstab von einem Tagessatz Geldstrafe zu einem Tag Ersatzfreiheitshaft, die an Stelle der Geldstrafe zu verbüßen ist. Künftig entspricht ein Tagessatz einem halben Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Seit vielen Jahren haben Fachleute kritisiert, dass der Gegenwert von sechs bis acht Stunden Erwerbsarbeit, die etwa einem Tagessatz Geldstrafe entsprechen, und 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe nicht zusammenpassen. Zudem stärken wir die aufsuchende Sozialarbeit und die gemeinnützige Arbeit als Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe. Bereits zehn Mal sind vergebliche Versuche unternommen worden, um eine Reform der Ersatzfreiheitsstrafe herbeiführen. Ich freue mich sehr, dass die Fortschrittskoalition nun endlich diesen wichtigen Schritt geht.“
II. Reform des Maßregelrechts
Im Maßregelrecht werden die Anordnungsvoraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 des Strafgesetzbuches (StGB) in mehrfacher Hinsicht enger gefasst. Die Änderungen verfolgen vor allem das Ziel, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wieder stärker auf die verurteilten Personen zu konzentrieren, die aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums und der daraus resultierenden Gefahr, erhebliche rechtswidrige Taten zu begehen, tatsächlich der Behandlung in einer solchen Einrichtung bedürfen. Damit soll zugleich der seit vielen Jahren zu beobachtende Anstieg der Zahl der untergebrachten Personen möglichst gebremst werden.
Die Anforderungen an den erforderlichen „Hang“ zum übermäßigen Rauschmittelkonsum, an den Zusammenhang zwischen Hang und Straffälligkeit und an die Erfolgsaussicht einer Behandlung werden zu diesem Zweck erhöht. Der regelmäßige Zeitpunkt für eine Reststrafenaussetzung wird, auch für die Berechnung eines etwaigen Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe, an den bei der reinen Strafvollstreckung üblichen Zweidrittelzeitpunkt angepasst. In der Strafprozessordnung wird klarstellend die sofortige Vollziehbarkeit von Entscheidungen normiert, mit denen die Behandlung wegen Erfolglosigkeit für erledigt erklärt wird.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„In den letzten Jahren hat die Zahl der Menschen drastisch zugenommen, die nach einer strafgerichtlichen Verurteilung in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind. Viele Kliniken sind überlastet. Das gefährdet auch den Behandlungserfolg der untergebrachten Personen. Durch die Anpassung der Anordnungsvoraussetzungen und anderen Regelungen tragen wir dafür Sorge, dass sich die Behandlung wieder auf diejenigen Personen konzentrieren kann, die wirklich behandlungsbedürftig und -fähig sind. Nur so lassen sich gute Behandlungserfolge erreichen – im Interesse der betroffenen Personen selbst, aber auch im Interesse unseres Allgemeinwesens.“
III. Erweiterung der Strafzumessungsnorm § 46 StGB
§ 46 Absatz 2 StGB nennt Umstände, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Menschenverachtende Beweggründe und Ziele sind danach besonders zu berücksichtigen. Beispielhaft genannt hierfür werden rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Beweggründe und Ziele. In diese Liste sollen nunmehr ausdrücklich auch „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive aufgenommen werden. Der Begriff „geschlechtsspezifisch“ soll dabei nicht nur die unmittelbar auf Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhenden Beweggründe erfassen, sondern auch die Fälle einbeziehen, in denen die Tat handlungsleitend von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Täter gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin mit Gewalt einen vermeintlichen patriarchalischen Herrschafts- und Besitzanspruch durchsetzen will. „Geschlechtsspezifisch“ sind aber auch solche Tatmotive, die sich gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität oder die (sonstige) nicht-binäre Geschlechtsidentität des Opfers richten Die ausdrückliche Nennung der „gegen die sexuelle Orientierung gerichteten“ Tatmotive erfasst zusätzlich Hasstaten, die etwa gegen Menschen mit homo- oder bisexuellen Orientierung begangen werden. Damit betont die Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten, die sich gegen LSBTI-Personen richten.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„Wir erweitern den Katalog der Strafschärfungsgründe in § 46 StGB. Hier sollen künftig „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive aufgeführt werden. Das eröffnet den Gerichten mehr Spielraum, um noch entschiedener gegen das erschreckende Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt und die zunehmende Gewalt gegen LSBTI-Personen vorzugehen.“
IV. Ambulante Maßnahmen: Auflagen und Weisungen
Schließlich sollen die Möglichkeiten bekräftigt und ausbaut werden, durch ambulante Maßnahmen positiv auf Straftäter einzuwirken:
Daher wird die Möglichkeit einer Therapieweisung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56c StGB), der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a StGB) und des Absehens von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen (§ 153a StPO) ausdrücklich normiert; aktuelle Studien zeigen, dass solche Therapien tatsächlich rückfallreduzierende Wirkung haben. Bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt wird zusätzlich die Möglichkeit für sonstige Weisungen und für eine Auflage geschaffen, gemeinnützige Leistungen zu erbringen (Arbeitsauflage).
Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet und dort beraten.
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