Kabinett beschließt digitale Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung
Schwerpunktthema: Gesetzgebung
Das Bundeskabinett hat heute den von dem Bundesminister der Justiz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung beschlossen.
Pressemitteilung Nr. 31/2023
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„In einem Strafverfahren geht es für die Beteiligten um sehr viel: um Recht und Gerechtigkeit, die Freiheit eines Menschen oder den guten Namen. Dass sich die Verfahrensbeteiligten aktuell nach einem mitunter monatelangen Prozess alleine auf ihre Notizen und ihr Gedächtnis verlassen müssen, ist nicht mehr zeitgemäß. Eine digitale Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung ist daher kein Selbstzweck, sondern wird ein echter Zugewinn für unseren Rechtsstaat sein und die Strafprozesse in unserem Land noch besser machen.“
Der Gesetzentwurf schafft die gesetzlichen Grundlagen für die digitale Dokumentation der erstinstanzlichen Hauptverhandlungen vor den Land- und Oberlandesgerichten in Strafverfahren. Zentraler Bestandteil des Entwurfs ist neben der Aufzeichnung der Hauptverhandlung auch die automatisierte Übertragung der Tonaufzeichnung in ein Textdokument. Dadurch wird der Nutzen der Dokumentation für die Verfahrensbeteiligten noch einmal stark erhöht. Ihnen soll daher auch ein möglichst zeitnaher Zugriff auf die Dokumentation gewährleistet werden.
Von der Dokumentation der Hauptverhandlung sollen sämtliche Verfahrensbeteiligte profitieren, denn sie erhalten dadurch ein verlässliches, objektives und einheitliches Arbeitsmittel zur Aufbereitung der Hauptverhandlung. Sie können sich dadurch noch besser auf den Prozess konzentrieren. Darüber hinaus wird das Risiko noch weiter reduziert, dass ein Urteil auf falsch wahrgenommene oder erinnerte Aussagen in der Verhandlung gestützt wird. Gerade bei umfangreicheren Verfahren liegen Aussagen bei Abfassung des Urteils häufig schon Monate zurück. In vielen anderen Staaten, gerade auch in der EU, ist eine Dokumentation des Inhalts der Hauptverhandlung deshalb auch längst Standard. Die Inhaltsdokumentation erfolgt häufig durch Audioaufzeichnung (z. B. in Estland, Litauen, Tschechien, Irland, Dänemark und Schweden) teilweise auch durch Videoaufzeichnung, wie flächendeckend beispielsweise in Spanien.
Im Falle technischer Schwierigkeiten räumt der Entwurf der Durchführung der Hauptverhandlung gegenüber der Verfügbarkeit der digitalen Dokumentation den Vorrang ein. Das sogenannte Formalprotokoll, das lediglich den äußeren Ablauf und die wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung verbindlich festhält, soll erhalten bleiben und den Verfahrensbeteiligten auch weiterhin zur Verfügung stehen. Die Aufzeichnung und das Transkript treten damit neben das Formalprotokoll und stehen den Verfahrensbeteiligten zusätzlich als Arbeitsmittel zur Verfügung.
Dem Schutz der Persönlichkeitsrechte misst der Entwurf zentrale Bedeutung bei. Bereits bei der Aufnahme kann dem Schutz der Persönlichkeitsrechte Rechnung getragen werden, etwa durch die Möglichkeit einer technischen Verfremdung (z. B. Stimmverzerrung oder im Fall von Bildaufnahmen Verpixelung). Für die Verwendung der Aufzeichnung sind zudem technische Sicherungen vorzusehen, die dem Stand der Technik entsprechen. Eine Verbreitung oder Veröffentlichung der Aufzeichnungen wird mit Strafe bedroht.
Der Entwurf sieht folgende Regelungen vor:
Die gesamte erstinstanzliche Hauptverhandlung wird in Strafverfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten digital dokumentiert (§ 271 Absatz 2 Satz 1StPO-E).
Die Dokumentation erfolgt durch eine Tonaufzeichnung, die automatisiert in ein elektronisches Textdokument (Transkript) übertragen wird (§ 271 Absatz 2 Satz 2 StPO-E). Zusätzlich ist eine Bildaufzeichnung möglich (§ 271 Absatz 2 Satz 2 StPO-E in Verbindung mit § 19 Absatz 1 Satz 2 StPOEG-E).
Die Dokumentation steht den Verfahrensbeteiligten als Arbeitsmittel neben dem Formalprotokoll zur Verfügung (§§ 271, 273a Absatz 1, 273b Absatz 1, 274 Absatz 2 StPO-E).
Im Fall von technischen Ausfällen oder Fehlern hat die Durchführung der Hauptverhandlung Vorrang (§ 273 Absatz 1 StPO-E).
Die Persönlichkeitsrechte werden verfahrensrechtlich und materiell-strafrechtlich geschützt (§§ 273 Absatz 2, 273a Absatz 2, 273b Absatz 2 und 3 StPO-E auch in Verbindung mit § 32f Absatz 4 und 5 StPO und §§ 496 ff. StPO, § 19 Absatz 2 StPOEG-E, § 353d Nummer 4 StGB-E).
Es wird klargestellt, dass die Verwendung der Aufzeichnungen in der Revision zulässig, aber auf Evidenzfälle beschränkt ist (§§ 344 Absatz 2 Satz 2, 352 Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 StPO-E).
Die Einführungs- und Pilotierungsphase dauert bis zum 1. Januar 2030. In dieser Phase können die Länder bestimmen, ab wann und an welchen Gerichten oder Spruchkörpern aufgezeichnet wird (Artikel 2, 3, 4 und 10 des Regierungsentwurfs).
Hinsichtlich der sogenannten Staatsschutzsenate gilt die Aufzeichnungs- und Transkriptionspflicht bereits ab dem 1. Januar 2028, soweit diese in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes zuständig sind (§ 19 Absatz 4 StPOEG-E). Dies setzt entsprechend vorgezogene Pilotierungen an den Staatsschutzsenaten voraus.
Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet und dort beraten.
Den Regierungsentwurf sowie ein Dokument mit Fragen und Antworten finden Sie hier.
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