Rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürgern soll es dadurch ermöglicht werden, Zahlungsansprüche mit geringerem Streitwert in einem einfachen, nutzerfreundlichen und digital geführten Gerichtsverfahren geltend zu machen. Gleichzeitig kann durch die strukturierte Erfassung des Prozessstoffs und den Einsatz digitaler Unterstützungswerkzeuge auch die Arbeit an den Gerichten noch effizienter gestaltet werden.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt:
"Heute machen wir einen weiteren Schritt zur Digitalisierung der Justiz. Mit dem Erprobungsgesetz zur Entwicklung eines Online-Verfahrens schaffen wir die Grundlage für neue digitale Kommunikationsformen im Zivilprozess. Die Justiz wird dadurch effizienter und moderner. Bürgerinnen und Bürger können sich mit nur wenigen Klicks an die Gerichte wenden. Das Online-Verfahren verbessert also auch den Zugang zur Justiz. Vieles in unserem Alltag erledigen wir bereits ganz selbstverständlich online - die Justiz darf hier keine Ausnahme sein. Die Erprobung soll zunächst an einzelnen Gerichten erfolgen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das Verfahren in den nächsten Jahren so weiterentwickeln werden, dass es zum Standard im Zivilprozess wird. Das wäre ein wichtiger Mosaikstein für die Modernisierung der Justiz."
Mit dem Entwurf wird die gerichtliche Durchsetzung von Kleinforderungen in bürgerfreundlichen digitalen Verfahren erleichtert. Damit wird eine weitere Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Zudem wird der Digitalstrategie der Bundesregierung Rechnung getragen. Demnach sollen einzelne Gerichte auf der Grundlage einer neuen gesetzlichen Regelung im Jahr 2025 vollständig digital geführte Zivilverfahren erproben.
Mit dem vom Entwurf genutzten Instrument des sogenannten Reallabors werden Testräume geschaffen, um innovative Technologien zeitlich befristet und unter realen Bedingungen zu erproben. Ziel ist es, Erkenntnisse für eine dauerhafte Regulierung zu gewinnen.
Für das Reallabor zur Erprobung und Evaluierung des Online-Verfahrens wird die Zivilprozessordnung (ZPO) um ein weiteres Buch ergänzt. Mit dem dann 12. Buch der ZPO wird das Prozessrecht generell für eine Erprobungsgesetzgebung geöffnet und kann durch weitere Experimentierklauseln und Reallabore ergänzt werden.
Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Um das Online-Verfahren weiterzuentwickeln, ist nach vier sowie nach acht Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Evaluierung vorgesehen.
Der Entwurf sieht unter anderem folgende Rahmenbedingungen vor:
- Eröffnung des Online-Verfahrens durch eine Klageerhebung mittels digitaler Eingabesysteme: Rechtsuchende sollen bei der Erstellung einer Klage durch Informationsangebote und Eingabe- und Abfragesysteme unterstützt werden. Dafür soll zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt werden. Mit der bestehenden Infrastruktur zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) wird auch die Anwaltschaft in die Erprobung einbezogen.
- Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten vor den Amtsgerichten, die auf Zahlung einer Geldsumme (nach der aktuellen Streitwertgrenze bis 5.000 EUR) gerichtet sind, sollen erfasst werden.
- Öffnungsklauseln im Verfahrensrecht der ZPO zur verstärkten Nutzung digitaler Kommunikationstechnik: Die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO sollen durch Erprobungsregelungen modifiziert und ergänzt werden, insbesondere durch erweiterte Möglichkeiten eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung, eine Ausweitung von Videoverhandlungen und durch Erleichterungen im Beweisverfahren.
- Digitale Unterstützung: In sogenannten Massenverfahren (z.B. im Bereich der Fluggastrechte) sollen Eingabesysteme und technische Standards die Justiz dabei unterstützen, Dokumente und Akten zu strukturieren und ressourcenschonend zu bearbeiten.
- Erleichterung der Urteilsverkündung und Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen.
- Bundeseinheitliche Erprobung einer Kommunikationsplattform: Die rechtliche Grundlage für eine neue Form der Justizkommunikation zwischen Gericht und Verfahrens¬beteiligten soll geschaffen werden. Anträge und Erklärungen können unmittelbar über eine Kommunikationsplattform abgegeben werden. Dabei soll auch die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch die Parteien und das Gericht (z.B. bei Vergleichsabsprachen) und die Zustellung von Dokumenten über die Plattform ermöglicht werden.
- Das Online-Verfahren soll barrierefrei, nutzerfreundlich und bundeseinheitlich über ein Bund-Länder-Justizportal für Onlinedienstleistungen zugänglich sein.
Das Gesetzgebungsvorhaben wird durch ein Digitalisierungsprojekt des Bundesministeriums der Justiz begleitet. Dabei übernimmt der Bund in Projektpartnerschaft mit interessierten Ländern und Gerichten eine koordinierende Rolle bei der Entwicklung und Erprobung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens. Derzeit sind acht Länder und elf Pilotgerichte an der Produktentwicklung beteiligt. Weitere Informationen finden Sie hier.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit wurde heute an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 12.07.2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.
Der Gesetzesentwurf ist hier abrufbar.