Das Bundesministerium der Justiz hat heute einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren, zur Stärkung des Verfahrensbeistands und zur Anpassung sonstiger Verfahrensvorschriften veröffentlicht. Der Entwurf verfolgt insbesondere das Ziel, durch verschiedene Anpassungen der Vorschriften für das familiengerichtliche Verfahren den Schutz gewaltbetroffener Personen und deren Kinder zu verbessern. Des Weiteren soll die Vergütung für Verfahrensbeistände angepasst und ihre Stellung im Verfahren gestärkt werden. Zudem werden notwendige Anpassungen in den Verfahrensvorschriften der Familien-, Versorgungsausgleichs- und Nachlasssachen vorgeschlagen.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„Wir bringen das Familienrecht auf die Höhe der Zeit. Dazu gehört auch ein verbesserter Schutz gewaltbetroffener Personen. Mit dem heute veröffentlichten Gesetzentwurf für eine Reform des familiengerichtlichen Verfahrens kommen wir dem nochmals näher. Denn gerade während solcher oft langwierigen und emotional belastenden Prozesse benötigen Opfer von Partnerschaftsgewalt und Kinder besseren Schutz und Unterstützung. Neben der Einführung eines Wahlgerichtsstands zugunsten gewaltbetroffener Personen wird nun besonders hervorgehoben, dass Gerichte in Kindschaftssachen mit Gewaltbetroffenheit auch den Schutzbedarf von Kindern und des gewaltbetroffenen Elternteils ermitteln müssen. Darüber hinaus stärken wir die Position der Verfahrensbeistände und nehmen weitere Anpassungen von Verfahrensvorschriften vor. Somit stärken wir nicht nur die Position der Betroffenen in familienrechtlichen Verfahren, sondern auch die der Verfahrensbeistände und Gerichte.
Bereits zu Beginn des Jahres hatte ich außerdem Eckpunkte zur Reform des Kindschaftsrechts veröffentlicht. Durch Änderungen des Sorge- und Umgangsrecht will ich zukünftig etwa klarstellen, dass das Familiengericht den Umgang beschränken oder ausschließen kann, um eine konkrete Gefährdung des gewaltbetroffenen betreuenden Elternteils abzuwenden. Den entsprechenden Referentenentwurf werde ich bald vorlegen."
Im Einzelnen sieht der Referentenentwurf folgende Regelungen vor:
- Stärkung gewaltbetroffener Personen - Einführung eines Wahlgerichtsstands
Es soll ein Wahlgerichtsstand eingeführt werden. Damit kann ein von Partnerschaftsgewalt betroffener Elternteil nach der Trennung vom gewaltausübenden Elternteil in einem Kindschafts-, Abstammungs- oder Kindesunterhaltsverfahren nicht mehr über den aktuellen Aufenthaltsort des Kindes aufgespürt werden, wenn er aus Sicherheitsgründen seinen und den Aufenthaltsort des Kindes geheim hält. Dies ist zum Beispiel bei Zuflucht in einem Frauenhaus der Fall. Allen Beteiligten dieser Verfahren bleibt der Zugang zur Justiz erhalten.
- Stärkung gewaltbetroffener Personen – Besondere Verfahrensvorschriften in Kindschafts- und Gewaltschutzsachen
Die sich aus der Istanbul-Konvention ergebenden Amtsermittlungspflichten des Familiengerichts in Fällen von Gewaltbetroffenheit sollen im Verfahrensrecht besonders hervorgehoben werden. Bei Anhaltspunkten für Gewaltvorfälle zwischen den Elternteilen ist das Gericht verpflichtet, den Schutzbedarf des Kindes und des gewaltbetroffenen Elternteils auch in Kindschaftssachen zu ermitteln. Es muss zudem ein angepasstes Gefahrenmanagement gewährleisten.
Unter Umständen muss das Gericht Schutzmaßnahmen ergreifen, wie z.B. getrennte Anhörungen der Eltern anordnen. Auch das im Fokus des Kindschaftsverfahrens stehende gerichtliche Hinwirken auf ein Einvernehmen zwischen den Eltern ist bei Gewaltvorfällen zwischen den Eltern häufig nicht möglich. Das soll das Gericht berücksichtigen, indem es von einem Hinwirken auf Einvernehmen absieht. Auch von der Anordnung gemeinsamer Beratungsgespräche soll in solchen Fällen abgesehen werden.
Zudem wird der Informationsfluss und der Austausch zwischen den an Gewaltschutz- und Kindschaftsverfahren beteiligten Familiengerichten und anderen Professionen verbessert. Schutzmaßnahmen können daher bei Gewaltvorfällen schneller eingeleitet werden.
- Stärkung der Verfahrensbeistände - Vergütungserhöhung
Die 2009 eingeführte Pauschalvergütung des Verfahrensbeistands soll angepasst und erhöht werden. Dabei wird die Trennung zwischen dem originären Aufgabenkreis und dem erweiterten Aufgabenkreis, bei dem der Verfahrensbeistand zusätzlich auch Gespräche mit den Eltern und ggf. auch Dritten (z.B. Schule, Kita) führen soll, aufgehoben. Es verbleibt ein Aufgabenkreis, der dem ursprünglichen erweiterten Aufgabenkreis entspricht. Die Pauschalvergütung dafür soll auf 690 Euro angehoben werden. Gleichzeitig soll eine Geschwisterpauschale eingeführt werden, um gewissen Synergieeffekten bei der Bestellung für mehrere Geschwisterkinder Rechnung zu tragen.
Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass künftig überall die Kosten des Verfahrensbeistandes für die Beauftragung eines Dolmetschers erstattungsfähig sind. Zudem soll der Kontakt zwischen Verfahrensbeistand und Kind auch gegen den Willen der Eltern gerichtlich durchgesetzt werden können. Damit ist dem Verfahrensbeistand die Vertretung der Kindesinteressen auch in streitigen Fällen möglich.
- Stärkung der Beschwerdeinstanz
Gegen eine einstweilige Anordnung über einen sogenannten Umgangsausschluss sollen Betroffene künftig Beschwerde einlegen können. Unter Umgangsausschluss versteht man die Entscheidung des Gerichts darüber, dass ein Umgangskontakt zwischen dem Kind und einem Umgangsberechtigten, in der Regel einem Elternteil, für kürzere oder längere Zeit nicht stattfinden darf. Es soll verhindert werden, dass es ohne die Möglichkeit einer kurzfristigen Überprüfung einer solchen Entscheidung zu einer massiven Beeinträchtigung der Bindung und Beziehung zwischen dem Kind und dem Umgangsberechtigten kommt, weil das Hauptsacheverfahren ggf. einige Zeit in Anspruch nehmen kann.
Bei offensichtlich unbegründeten Beschwerden soll das Beschwerdegericht zukünftig von der obligatorischen Wiederholung einzelner Verfahrenshandlungen auch in Fällen, in denen dies bislang nicht möglich ist, absehen können. Damit sollen in Einzelfällen unnötige Verfahrensverzögerungen vermieden werden.
- Stärkung der am Versorgungsausgleichsverfahren Beteiligten
Der Versorgungsausgleich hat für die Alterssicherung von Ehegatten eine hohe Bedeutung. Durch den sogenannten Halbteilungsgrundsatz erhält nämlich jeder Ehegatte die Hälfte der während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften des anderen Ehegatten. Um dem zu entsprechen, sollen Anrechte, die im Versorgungsausgleichsverfahren übergangen wurden, nun nachträglich berücksichtigt werden können. Dies war bisher nicht zulässig.
- Stärkung der Verwahrstellen – Reduzierung der Pflicht zur Fortlebensermittlung
Die Pflicht der Fortlebensermittlung durch die Verwahrstellen soll reduziert werden. Befindet sich eine Verfügung von Todes wegen mehr als 30 Jahre in amtlicher Verwahrung, müssen Gerichte oder Notarinnen und Notare ermitteln, ob der Erblasser überhaupt noch lebt. Diese aufwändige Ermittlung ist nun weitgehend entbehrlich, nachdem das Zentrale Testamentsregister seine volle Funktionsfähigkeit entfaltet hat.
Der Referentenentwurf wurde heute an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 6. September 2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.
Den Referentenentwurf finden sie hier.