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Rede zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts

Rede des Ministers Dr. Marco Buschmann anlässlich der Ersten Lesung eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts am 30. November 2023 im Deutschen Bundestag

Rede
Dr. Marco Buschmann

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen! Liebe Zuschauer! Der 24. Februar 2022 und der 7. Oktober 2023, das sind zwei Tage, die sich in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt haben. Es herrscht wieder Krieg in Europa, und es herrscht ein weiterer Krieg vor den Toren Europas. Wir haben gehofft, dass wir als Menschheit weiter wären. Wir haben uns getäuscht. Wir denken an die Betroffenen, und wir leiden und trauern mit den Opfern. Aber wir sind nicht machtlos. Wir setzen der barbarischen Gewalt etwas entgegen, das uns von Tyrannen und Terroristen unterscheidet: Wir setzen der Gewalt das Recht entgegen.

Wir haben aus der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts gelernt. Gerade unser Land, schuldbeladen, hatte allen Grund dazu. Wir haben uns unter vielen gutwilligen Völkern der Welt darauf geeinigt, dass Kriege heute grundsätzlich nur noch diejenigen führen dürfen, die sich selbst verteidigen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass Angriffskriege und barbarische Überfälle auf fremdes Staatsgebiet völkerrechtswidrig sind. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die internationale Gemeinschaft Kriegsverbrecher und Aggressoren vor Gericht stellt. Das ist echter Fortschritt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs wurde das Völkerstrafrecht geboren. Sein Gedanke lautet: Nirgendwo dürfen sich Kriegsverbrecher sicher fühlen. Und ich möchte angesichts der Geschichte unseres Landes hinzufügen: Nirgendwo dürfen sich Kriegsverbrecher sicher fühlen, erst recht nicht in Deutschland, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Unser Land sieht es daher als seine Pflicht an, bei der Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen eine Vorreiterrolle einzunehmen. Wir haben weltweit den ersten Prozess gegen Angehörige des Assad-Regimes wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Diese Vorreiterrolle der deutschen Justiz wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf festigen.

Was schlagen wir vor? Wir wollen erstens die Rechte der Opfer von Völkerstraftaten stärken. Dafür werden wir die Strafprozessordnung in einigen wesentlichen Punkten ergänzen. Das betrifft die Möglichkeit der Opfer, als Nebenkläger eine aktive Rolle im Prozess zu übernehmen. Wir müssen die Opfer in eine aktive Rolle bringen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Das betrifft auch den Zugang zu psychosozialer Prozessbegleitung; denn die meisten Menschen, die Opfer eines Kriegsverbrechens wurden, haben Furchtbarstes erlebt. Sie sind im Regelfall traumatisiert. Deshalb brauchen sie nicht nur juristische, sondern auch psychosoziale Unterstützung.

Wir wollen zweitens die Verbreitung wegweisender deutscher Völkerstrafrechtsprozesse fördern. Dafür müssen Medienvertreter über solche Prozesse informiert berichten können. Wie soll sonst die Botschaft des Rechts bis in alle Welt vordringen? Deshalb stellen wir künftig Folgendes sicher: Medienvertreter, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, können künftig auf eine Verdolmetschung zurückgreifen. Das ist Fortschritt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Das ist übrigens mehr als Technik. Am heutigen Tag spricht das Oberlandesgericht Celle sein Urteil in einem Prozess gegen einen Mann aus Gambia wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die gambische Bevölkerung nimmt das mit großen Hoffnungen wahr. Aber die Tochter eines Mannes, der bei diesen Staatsverbrechen ums Leben kam, der ermordet wurde, ließ sich vor Kurzem so zitieren, dass ihr Volk wegen der sprachlichen Hürden diesem Prozess nicht folgen kann. Sie hat gesagt - ich zitiere wörtlich -:

„Ich glaube, die deutschen Behörden verstehen nicht, dass dieses Verfahren Teil eines Heilungsprozesses für uns ist, für die Opfer und für eine ganze Nation.“

Zitat Ende. - Doch, das verstehen wir. Deshalb werden wir das jetzt möglich machen.

Wir sorgen drittens für einen Gleichlauf des deutschen Rechts mit den Normen des Römischen Statuts und der Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs. Entsprechende Strafbarkeitslücken im Völkerstrafgesetzbuch wollen wir schließen. Das betrifft zum einen den Tatbestand der sexuellen Sklaverei, den wir neu aufnehmen. Und wir nehmen auch Änderungen beim Tatbestand des Verschwindenlassens vor. Hier wollen wir auf das sogenannte Nachfrageerfordernis künftig verzichten, weil es eine Zumutung für viele Angehörige der Opfer war, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich denke, wir ziehen mit alldem die richtigen Schlüsse aus der gegenwärtigen Wiederkehr schlimmster Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen auf unserem Kontinent. Und wir ziehen einmal mehr die richtigen Schlüsse aus unserer eigenen Vergangenheit von Gewalt, Rechtsbruch und Angriffskrieg. Daher bitte ich um wohlwollende Aufnahme dieses Gesetzentwurfs der Bundesregierung.

Herzlichen Dank.

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