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Rede beim Festakt aus Anlass der Verabschiedung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof a.D. Dr. Peter Frank und der Amtseinführung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof Jens Rommel

Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, beim Festakt aus Anlass der Verabschiedung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof a.D. Dr. Peter Frank und der Amtseinführung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof Jens Rommel am 4. März 2024 in Karlsruhe

Rede
Dr. Marco Buschmann

Es ist einer der großen Vorzüge der liberalen Demokratie, dass dem Amtswechsel kein Schrecken innewohnt: Niemand muss sterben oder inhaftiert werden; es gibt keine fundamentale Verunsicherung, keinen Moment eines seidenen Fadens, an dem das Gemeinwesen hinge.

Das ist in jedem Falle so – und es gilt erst recht in einem Fall wie dem heutigen, wenn das Amt von einem exzellenten Träger auf einen anderen exzellenten Träger übergeht!

Als ich mir in der Vorbereitung, lieber Herr Frank, noch einmal Ihre Persönlichkeit vor Augen führte, musste ich sofort an einen weiteren Vorzug unserer liberalen Demokratie denken: Sie bedient sich zu ihrer Verteidigung keiner Rambos oder Rockys – sie bedient sich des Rechts, und sie bedient sich kluger, nachdenklicher und gewissenhafter Juristinnen und Juristen.

Der Charakter des Rechts in der liberalen Demokratie spiegelt sich im besten Falle in der souveränen Zivilität seiner Garanten wider.

Sie waren, lieber Herr Frank, als Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof viele Jahre einer der wichtigsten Garanten von Recht und Freiheit in diesem Land. Dafür schuldet dieses Land Ihnen Dank – und ich darf Ihnen diesen Dank unseres Landes hier und heute aussprechen!

Wir leben in Zeiten, in denen wir wieder spüren, von wie existenzieller Bedeutung diese Wehrhaftigkeit der liberalen Demokratie ist – nicht als Vorkehrungen gegen irgendwelche hypothetischen Eventualitäten, sondern gegen ganz konkrete und sich ballende Bedrohungen.

Islamisten, Rechts- und Linksterroristen haben der freiheitlichen Ordnung den Kampf angesagt.

Wie andernorts auch, stehen auch bei uns politische Kräfte bereit, die Liberalität unserer Ordnung ins Illiberale zu drehen, aus der offenen Gesellschaft eine autoritäre zu machen.

In Europa werden wieder brutale Kriegsverbrechen begangen, die nicht ungesühnt bleiben dürfen.

Und die russische Aggression, genau wie die Aggression der Hamas, richtet sich zugleich gegen die verhasste Freiheit des liberalen Gesellschaftsmodells an sich.

Das alles sind Entwicklungen, denen sich dieses Land stellen muss. Aber es sind auch Entwicklungen, denen Sie sich mit Ihrer Behörde entschlossen gestellt haben, lieber Herr Frank.

Sie haben im Bereich des Rechtsterrorismus Zusammenschlüsse wie die „Gruppe Freital“ oder „Revolution Chemnitz“ angeklagt. Sie haben den Mörder von Walter Lübcke vor Gericht gebracht und den Mörder und Attentäter auf die Synagoge in Halle. Sie haben die Verschwörer um Heinrich Prinz Reuß der Gerechtigkeit zugeführt.

Sie haben zuletzt darauf hingewiesen, wie sehr gerade diese rechtsterroristische Gefährdung in den letzten Jahren gewachsen sei. Und Ihre Behörde hat darauf reagiert. Als Sie 2015 hier anfingen, war es im Wesentlichen ein Referat, das sich mit dem deutschen Rechtsextremismus befasste; heute sind es drei.

Zugleich haben Sie vor dem Oberlandesgericht Dresden Haftstrafen gegen Mitglieder einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung wegen Gewaltstraftaten gegen mutmaßliche Rechtsextremisten erwirkt. Von ganz links wurde Gewalt gegen ganz rechts geübt – Gewalt, die einige deshalb vielleicht für legitim hielten. Aber in der liberalen Demokratie ist Gewalt – egal von wem und gegen wen auch immer – niemals legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Das haben Sie deutlich gemacht.

Seit zwei Jahren ermitteln und sichern Sie Beweise für völkerstrafrechtliche Verbrechen Russlands in der Ukraine. Und ein erstes personenbezogenes Ermittlungsverfahren ist eingeleitet. All dies geschieht international eingebunden. Denn die freie Welt stimmt sich hier eng ab: im neuen Format der G7-Justizminister untereinander oder auf Konferenzen wie gerade vor zwei Wochen bei mir im Haus in der Berliner Mohrenstraße, wo die US Generalanwältin Nicole Argentieri, der neue polnische Justizminister Adam Bodnar, der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin, Sie, lieber Herr Otte, und viele Experten und Praktiker sich austauschen konnten.

Sie leisten hier Ihren großen Beitrag, dass wir auf mögliche Gerichtsverfahren vorbereitet sind – ob bei uns in Deutschland, bei unseren ausländischen Partnern oder vor einem internationalen Gericht.

Sie haben längst große Erfahrung und Expertise auf diesem Gebiet. Sie haben IS-Rückkehrer aus Syrien und dem Irak verfolgt. Ihre Anklage gegen die Folterknechte Assads, nach dem Weltrechtsprinzip, 2020 beim Oberlandesgericht Koblenz, war der erste Prozess dieser Art weltweit. Die darauf folgenden Verurteilungen waren Pioniertaten des Völkerstrafrechts – international beachtet und geachtet! Sie haben Gerechtigkeit im Einzelfall geübt, aber auch das Völkerstrafrecht als Instrument weiterentwickelt.

Wir werden auch russische Kriegsverbrecher in Deutschland vor Gericht stellen, wenn wir ihrer habhaft werden.

Sie alle in der Bundesanwaltschaft helfen, dieses wichtige Zeichen zu setzen: Kriegsverbrecher können sich nirgendwo auf der Welt sicher fühlen – erst recht nicht in Deutschland.

Lange in der Geschichte hieß es: „Wenn die Waffen sprechen, schweigt das Recht.“ Heute sagen wir: „Auch wenn die Waffen sprechen, schweigt das Recht nicht.“ Das ist ein zivilisatorischer Fortschritt, den auch Sie hier mit Leben erfüllen – und dessen Verwirklichung im umfassendsten Sinne des Wortes Ihr Beruf ist.

Ich danke Ihnen dafür. Ich danke Ihnen auch, dass Sie die Wehrhaftigkeit unserer liberalen Demokratie so konsequent mit verkörpern – gegen Terrorismus jeder Herkunft und Angriffe jeder Art.

Wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen – dafür sind Sie ein Garant!

Lieber Herr Frank,

Sie haben eine konsequente Strafverfolgung gewährleistet, ohne persönlich viel Aufhebens davon zu machen. Selbstdarstellung ist Ihre Sache nicht.

Obwohl Ihre juristische Exzellenz sehr früh nicht unbemerkt geblieben ist, hat man Sie stets als einen Kollegen und Chef erlebt, dem jede Arroganz abgeht. Zugänglich und unprätentiös, besonders herzlich, familiär und sehr empathisch – diesen Eindruck haben Sie stets hinterlassen.

„Für wen Herr Frank einmal gearbeitet hat, der möchte ihn nicht mehr missen.“ Das schrieb Ihre akademische Lehrerin Ellen Schlüchter in Ihr erstes Dienstzeugnis. Nun, wir, der Rechtsstaat, müssen Sie ja auch nicht missen! Denn Sie wechseln zwar Ihren konkreten Beruf, aber nicht Ihre Berufung im Dienste des Rechtsstaats.

Alles Gute und eine weise Hand wünsche ich Ihnen für Ihre neue Aufgabe als Richter des Bundesverfassungsgerichts, lieber Herr Frank!

Lieber Herr Rommel,

von Exzellenz zu Exzellenz, es ist ein Freude: Wir verabschieden eine herausragende Persönlichkeit an der Spitze der Bundesanwaltschaft – und wir begrüßen eine Persönlichkeit, die genau dies zu werden verspricht. Sie sind es an Ihren bisherigen Stationen jedenfalls stets gewesen.

Jens Rommel hat dem Rechtsstaat bereits in vielen wichtigen Funktionen gedient: Sie waren zuletzt Richter am Bundesgerichtshof, beim 4. Strafsenat. Sie waren dort auch stellvertretend Ermittlungsrichter. Davor war Herr Rommel Staatsanwalt und fünf Jahre Leiter der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg. Und Sie waren ja auch schon einmal bei der Bundesanwaltschaft: von 2007 bis 2010 als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Ein Höhepunkt Ihrer Amtszeit in Ludwigsburg war sicherlich die Verurteilung des SS-Manns und Auschwitz-Buchhalters Oskar Gröning im Jahr 2015. Ein Jahr später hat der Bundesgerichtshof die Rechtsauffassung Ihrer Behörde bestätigt. Für eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord reicht es aus, dass man zum Tatzeitpunkt in einem Vernichtungs- und Konzentrationslager Dienst tat und um das Geschehen wusste. Wer sich bewusst zu einem kleinen Rädchen einer Massenmordmaschine macht, ist mitverantwortlich. Was für ein Fortschritt gegenüber der Rechtsauffassung noch bis zum Urteil gegen John Demjanjuk im Jahr 2011!

Sie haben in einem Interview einmal Ihre Ermittlungsarbeit sehr eindrücklich beschrieben, ich zitiere Sie:

„Unser Ansatz sieht so aus: Wir versuchen eine Tat zu beschreiben, die man als systematische Ermordung in einer festen Organisation kennzeichnen kann.
Und wer sich dann in einer bestimmten Funktion an dieser Ermordung beteiligt, der macht sich schuldig. Das gilt nach unserer Auffassung nicht nur für die Vernichtungslager wie Auschwitz-Birkenau und Majdanek. Wir prüfen jetzt ein Konzentrationslager nach dem anderen, ob wir dort so eine Phase einer systematischen Ermordung nachweisen können, im ersten Schritt – und dann, welches Personal in Betracht kommt. Wir haben Stutthof schon geprüft und letztes Jahr neun Verfahren an die zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben. Jetzt sind wir gerade bei Buchenwald, Ravensbrück, Mittelbau-Dora, Bergen-Belsen, Neuengamme – und schauen, ob es uns gelingt, so eine Haupttat zu belegen, die man auch dem Einzelnen vorwerfen kann.“

Das ist sehr beeindruckend, wenn ich das sagen darf. Der Rechtsstaat braucht genau diese ruhige, methodische Beharrlichkeit, die Ihnen offenbar eigen ist. Es zeigt auch eines: Da Sie sich tief in das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingearbeitet haben, sind Sie vorbereitet auf die Verfolgung der schlimmen Verbrechen gegen die Menschlichkeit unserer Tage.

Sie haben einmal bemerkt, mindestens so groß wie die juristische Bedeutung Ihrer Verfahren sei deren Bedeutung für die Opfer und deren Nachkommen, die sich ja an den Verfahren als Zeugen und Nebenkläger beteiligen können. Das Strafmaß sei dabei gar nicht einmal das Zentrale, sondern – ich zitiere Sie – „die Aufklärung in diesem kommunikativen Prozess einer Hauptverhandlung und auch die Feststellung heute, dass es Unrecht war und dass auch der einzelne Beteiligte wenigstens einen kleinen Teil der Verantwortung trägt.“

Auch diese Einsicht verbindet Ihre bisherigen beruflichen Erfahrungen mit Ihrer kommenden Arbeit hier.

Eine Angehörige eines Opfers von Staatsverbrechen in Gambia, die gerade aufgrund einer Anklage dieser Behörde vor dem Oberlandesgericht Celle verhandelt worden sind, hat zu diesem Verfahren gesagt: Es sei, Zitat, „Teil eines Heilungsprozesses für uns, für die Opfer und für eine ganze Nation“.

Es ist eine große, es ist eine wichtige Arbeit, die Sie hier tun!

Und Sie, lieber Herr Rommel, sind gut gerüstet für diese Arbeit.

Sie haben bewiesen, dass Sie über alle Eigenschaften und Fähigkeiten verfügen, die einen exzellenten Generalbundesanwalt ausmachen – persönliche Integrität, fachliche Kompetenz, Einsatzbereitschaft, Führungsstärke und die Leidenschaft für unseren Rechtsstaat und unsere freiheitliche Ordnung.

Und deshalb ist auch dieser Amtswechsel eine Beglaubigung der Stärke und der Wehrhaftigkeit unserer liberalen Demokratie!

Vielen Dank!

‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒

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