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Rede anlässlich der Ersten Lesung zweier Gesetzentwürfe zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichtes im Bundestag

Rede von Dr. Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz, anlässlich der Ersten Lesung zweier Gesetzentwürfe zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichtes

Rede


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen, liebe Zuschauer! Vor 75 Jahren trat unser Grundgesetz in Kraft und damit auch die Regeln, auf deren Grundlage das Bundesverfassungsgericht später tätig werden konnte. Diese Institution hat sich um unsere Demokratie unglaublich verdient gemacht. Sie ist die Hüterin der Verfassung. Sie ist der Schutzschild der Grundrechte. Wenn man sich diese große Bedeutung anschaut, stellt man fest: Sie steht in einem interessanten Widerspruch zu dem kleinen Raum, den die Regeln im Text der Verfassung einnehmen. Das ist leicht zu erklären. Als sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes auf den Weg gemacht haben, haben sie ein Experiment gewagt; denn für ein so mächtiges Gericht gab es wenige Beispiele. Sie wollten vieles davon in einem einfachen Gesetz regeln, weil man für den Fall, dass das Experiment vielleicht nicht gelingt, schnell nachregeln können wollte.

Nach 75 Jahren können wir allerdings sagen: Das Experiment ist gelungen. Wir können unseren Respekt und unseren Dank für den großen Erfolg, den das Bundesverfassungsgericht darstellt, für die bedeutenden Leistungen, die dieses Gericht zum Gelingen unserer Demokratie beigesteuert hat, zum Ausdruck bringen, indem wir diese bewährten Strukturen jetzt auch im Text der Verfassung abbilden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Die Verfassungsänderung, die wir heute verhandeln, ist aber mehr als Ausdruck von Dank und Respekt. Der große Erfolg des Bundesverfassungsgerichts hat dazu geführt, dass viele Staaten ähnliche Institutionen eingeführt haben, insbesondere Staaten in Mittel- und Osteuropa, deren Freiheitsdrang so groß war, dass sie auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs liberale Demokratie sein wollten. Von diesen Staaten haben wir aber auch gelernt, welche perfiden Taktiken es gibt, um Verfassungsgerichte an die Kette zu nehmen, an den Rand zu drängen, ihre Unabhängigkeit infrage zu stellen. Dass wir die bewährten Strukturprinzipien unseres Bundesverfassungsgerichts von der Ebene des einfachen Gesetzes auf die Ebene der Verfassung ziehen, ist auch ein effektiver Schutz gegen solche perfiden Taktiken; und deshalb ist es gut, dass wir diese Änderungen verhandeln, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir schützen das Bundesverfassungsgericht nicht nur vor dem theoretischen Fall, dass einfache Mehrheiten es angreifen wollen; wir legen auch einen Mechanismus vor, der vor destruktiven Sperrminoritäten schützt. Für den Fall, dass eine oder gar mehrere Parteien eines Tages auf den Gedanken kommen sollten, ein Drittel der Stimmen in diesem Bundestag zu nutzen, um die Arbeitsfähigkeit des Verfassungsgerichts zu unterminieren, um eine ordentliche Wahl von Richtern unmöglich zu machen, haben wir jetzt auch Mechanismen. Auch das ist ein Stück Schutz des Bundesverfassungsgerichts, und auch das stärkt unsere liberale Demokratie weiter, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte am Schluss noch zwei Bemerkungen machen. Die eine ist: Es ist richtig und gut, dass wir die Mittel des Rechts nutzen, um unsere Demokratie zu schützen. Der wichtigste Schutz unserer Demokratie ist allerdings eine Politik, die den Bürgerinnen und Bürgern zeigt, dass die ganz überwiegende Mehrheit dieses Landes in die parlamentarische Demokratie vertrauen kann. Deshalb haben wir alle die Aufgabe - egal an welcher Stelle, ob Mehrheit, ob Minderheit, egal in welcher Fraktion -, dafür zu sorgen, dass die übergroße Mehrheit in unserem Land immer erkennen kann, dass ihre Interessen besser bei seriösen Demokraten aufgehoben sind als bei Leuten, die sich die Probleme nicht vornehmen, um sie zu lösen, sondern um sich an ihnen zu weiden. Das ist die wichtigste Aufgabe, um den Schutz unserer Verfassung zu gewährleisten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Eine allerletzte Bemerkung möchte ich machen; und sie ist mit tiefem Dank verbunden. Ich durfte ja so ein bisschen in einer Mischung aus Moderation und Sekretariat an den Gesprächen teilnehmen, die zu diesem Ergebnis geführt haben. Was ich dort gesehen habe, das war Parlamentarismus in seiner besten Form, weil alle Beteiligten einander zugehört haben. Dafür möchte ich mich bei den Kollegen Wiese und Fechner aus der SPD-Fraktion, der Kollegin Lindholz und dem Kollegen Heveling von der Union, den Kollegen von Notz und Till Steffen von den Grünen, bei der Kollegin Katrin Helling-Plahr und Konstantin Kuhle von der FDP-Fraktion und auch bei dem Kollegen Seidler, der hinterher an Bord gekommen ist, bedanken. Denn hier hat man einander zugehört.

Man hat sich nicht in die Rolle des politischen Gladiators geflüchtet, der die anderen niederringen will, sondern man hat sich die Chance gegeben, sich gegenseitig mit Argumenten zu überzeugen. Das zeigt, wie viel in unserer politischen Kultur noch möglich ist. Wenn wir uns das häufiger gegenseitig erlauben - übrigens auch innerhalb der Regierungskoalition häufiger erlauben würden -, dann würde vieles in diesem Land besser laufen. Deshalb bedanke ich mich bei allen Beteiligten, auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, auch bei den Mitarbeitern meines Hauses, dass dieses gute Ergebnis möglich geworden ist.

Herzlichen Dank.

‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒

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