Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen! Liebe Zuschauer!
Wir legen Ihnen einen Gesetzentwurf vor zur Entwicklung und Erprobung eines Onlineverfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit. Lassen Sie mich ein bisschen einordnen, wozu diese Maßnahme gut sein soll.
Wenn wir uns über die Justiz in Deutschland unterhalten, dann wird meistens folgendes Bild gezeichnet: Die Justiz wird von riesigen Klagewellen quasi überflutet, und eine viel zu kleine Zahl an Richtern weiß gar nicht mehr, wie sie mit dieser Flut klarkommt; deshalb dauere alles lange und laufe zäh. - Die empirische Wirklichkeit ist eine andere. Seit etwa 20 Jahren sind die Eingangszahlen in der Zivilgerichtsbarkeit rückläufig: um bis zu 40 Prozent. Das heißt nicht, dass es nicht an einzelnen Gerichtsstandorten, insbesondere dort, wo es zu Sammelklagen kommt, erheblichen Belastungen gibt. Aber die Zahl der Fälle in der ersten Instanz ist stark rückläufig.
Wenn man untersucht - das haben wir im Bundesministerium der Justiz getan -, warum immer weniger Menschen, gerade bei kleinen Zahlungsforderungen, auf die staatliche Justiz zugehen, dann ist die Rückmeldung ganz häufig: Es dauert zu lange, es ist zu teuer, es ist zu undigital, alles zu kompliziert. - Das sagen nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Anwältinnen und Anwälte. Deshalb ist es, glaube ich, richtig, dass wir uns die Frage stellen: Wie können wir die Justiz effektiver aufstellen, damit wieder mehr Bürgerinnen und Bürger sagen: „Jawohl, das ist meine erste Anlaufstelle, auch um kleine Zahlungsforderungen durchzusetzen“, und die Abläufe moderner, schneller und kostengünstiger gestalten? Hier geht es ein Stück weit um die Effizienzsteigerung der deutschen Justiz, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wie wollen wir das nun schaffen? Wir wollen an bestimmten Amtsgerichten die Erprobung eines solchen Onlineverfahrens möglich machen. Da soll es insbesondere um Zahlungsforderungen gehen. Ich glaube, das ist ein richtiger Weg. Früher hat man immer gedacht, man müsse sich das perfekte System überlegen. Das entwickelt man über viele Jahre und zieht es dann übers ganze Land; aber wenn es dann in der Praxis ankommt, stellt man fest: Vor lauter Theorie hat man an der Praxis vorbei entwickelt.
Deshalb ist, glaube ich, der Gedanke des sogenannten Reallabors gut, nämlich diese Onlineverfahren einfach mal an bestimmten Gerichten auszuprobieren und zu schauen, was davon funktioniert und was man daraus lernen kann, um dann im nächsten Schritt die Sache noch besser zu machen. Das würde man woanders Agilität nennen. Ich glaube, das ist auch bei der Entwicklung digitaler Tools in der Justiz genau der richtige Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Diese Maßnahme reiht sich ein in einen Strauß anderer Maßnahmen. Denken Sie beispielsweise an die Digitalisierungsinitiative in der Justiz, bei der wir ja auch eine ganze Reihe von zusätzlichen digitalen Tools finanzieren, mit den Bundesländern gemeinsam Techniken entwickeln, um die Arbeit in der Justiz effizienter zu gestalten. Das ist, glaube ich, viel mehr, als nur Geschwindigkeit aufzunehmen, meine Damen und Herren.
Ich muss noch eine Wahrheit sagen, die mir ganz wichtig ist: Manchmal hört man ja, die Antwort auf alle Probleme in der Justiz sei mehr Personal. Das ist aber in Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels eine Strategie, die nicht aufgehen wird. Schon heute können die Planstellen, die bisher existieren, nur schwer besetzt werden. In Anbetracht der Pensionierungswelle, die insbesondere in Ostdeutschland demnächst rollt, werden wir genug damit zu tun haben, die bisher existierenden Planstellen qualifiziert zu besetzen. Deshalb kann die Antwort nicht nur lauten, dass wir über mehr Stellen sprechen müssen; vielmehr müssen wir über mehr Effizienz und Produktivität auch in der Justiz sprechen. Dazu leisten Digitalisierungsmaßnahmen einen wichtigen Beitrag. Und um genau eine solche Maßnahme handelt es sich hier. Deshalb bitte ich um wohlwollende Aufnahme im Parlament.
Herzlichen Dank.